02.2021 #Homo Circularis
Von Zirkularität und Realität. Und was das alles mit Bananenbrot zu tun hat.
Eveline Lemke, Charléne Nessel
Welche Aussage beschreibt die Zukunft der Circular Economy am ehesten? Die Realität wird zirkulär? Oder wird Zirkularität real? Besteht da ein Unterschied? Und stimmt das überhaupt? Sind wir nicht noch Meilen entfernt von einer Circular Economy?
Die Circular Economy und der Green Deal sind das von Ursula von der Leyen gewählte große Thema der EU. Es stößt bisher auch kaum auf Kritik, denn es verspricht grüne Wachstumsmöglichkeiten und erreicht neue Zielgruppen. Zudem liefert es Antworten, wie wir vielleicht doch auf diesem Planeten überleben können. Die Nachhaltigkeitsbewegung hat jedoch in den letzten 35 Jahren erfahren, dass die Entkopplung des Wachstums vom Ressourcenverbrauch eine schwierige Sache ist. Zudem ist die Gefahr, im Green Deal vor lauter Green Buzzwords und Green Washing verloren zu gehen, sehr groß. Kann die Circular Economy Antworten liefern, die Orientierung im grünen Dschungel bieten?
Warum wir die Circular Economy neu beschreiben müssen: Verwirrung in der Neo-Ökologie
Aktuell liegt eine Darstellung des Zukunftsinstituts auf dem Tisch, welche sogenannte Buzz-Words und Trends auf einer Karte darstellt, die wie eine Karte der Berliner U-Bahn aussieht. Bio Boom, Sharing Economy, Lebensqualität, Achtsamkeit, Green Tech, Social Business, Post-Wachstumsökonomie, Sinn-Ökonomie, Post-Carbon Gesellschaft, Circular Economy, Zero-Waste uva. Die Zukunftsforscher haben diese Megatrends der Neo-Ökologie als Haltestellen auf die Karte gebracht. Jede Umstiegsoption ist eine Schnittstelle zwischen zwei Trendbegriffen. Wer in die U-Bahn-Linie Neo-Ökologie einsteigt, fährt an Buzz-Word-Stationen vorbei.
Es entsteht der Eindruck, dass die Neo-Ökologie eine Einbahnlinie sei. Wer umsteigt, verlässt die Nachhaltigkeit. Aber Nachhaltigkeit umfasst 17 Ziele und damit mehr als nur einen Zukunftstrend. In der Karte mehrere grüne Ideen und andere wichtige systemische Trends gleichzeitig zu erreichen, ist aber unmöglich. Wozu dient eine Karte? Karten sollen Orientierung geben. Sie sollen uns Menschen helfen, ans Ziel zu kommen. Aber die Karte verwirrt. Zugleich spiegelt die Karte des Zukunftsinstituts die öffentliche Wahrnehmung. Ist die Karte nur die verzerrte Wahrnehmung der Öffentlichkeit oder drückt genau diese Verwirrung die Notwendigkeit aus, Klarheit in die Diskussion um Zukunftsbegriffe und die Einbettung von nachhaltigen Begriffen zu erlangen?
Deshalb ist gerade jetzt die Zeit, ein paar Klarstellungen zur Philosophie der Circular Economy vorzunehmen und es ist gleichzeitig eine gute Gelegenheit, einige Voraussetzungen für eine Circular Society zu beschreiben, die als Begriff noch gänzlich auf der Karte fehlt. Es macht Sinn, sich erst wesentliche Unterschiede der Circular Economy zu klassischen Wirtschaftsphilosophien in Erinnerung zu rufen und dann auf politische Maßnahmen und Ziele der EU einzugehen.
Die bisherigen Wirtschaftsphilosophien waren allesamt nicht nur naturvergessen, sie haben auch den Menschen in seinem Wesen auf wenige Motivationstreiber reduziert. Es wurde angenommen, der Mensch sei ein Homo oeconomicus. Nach Darwin würde er nur als Stärkerer überleben. Mit Geiz und Gier seine ureigenen Überlebensinteressen durchzusetzen – was durchaus auch menschlich ist -, rechtfertigte in den klassischen ökonomischen Wissenschaften die Verfeinerung der Instrumente zur Ausbeutung des Planeten und auch der eigenen Spezies. Jede Managementtechnik kann zum Guten und zum Bösen angewendet werden. Ziel und Kontext sowie die gefassten Entscheidungen bestimmen, ob das Ergebnis ein Gutes oder ein Schlechtes ist. Das setzt aber voraus, dass jeder Technik auch eine Ethik mitgegeben wird. Es setzt auch voraus, dass wir lernen in Systemen zu denken und uns trauen systemische Szenarien als Entscheidungsgrundlagen heranzuziehen. Die Circular Economy eröffnet die Möglichkeit, hier eine Brücke zu bauen.
Der Spiegel des Unmenschlichen kann uns Erkenntnis darüber bringen, wie wir uns aus innerem Antrieb verhalten wollen. Wenn unser innerer Antrieb nicht durch ethische, emotionale, empathische Grundsätze gespeist wird, sondern aus dem Anspruch höher, schneller, weiter zu kommen, zeichnen sich die Konsequenzen ab: Der Klimawandel als Spiegel unserer Naturvergessenheit; steigende Ansprüche, mangelndes Selbstbewusstsein und vermehrte Depressionen als Spiegel unseres sozialen Dilemmas durch Social Media und Co.; industrielle Schlachtanlagen als Spiegel unserer Entfremdung von Empathie und Gefühlen zwischen Mensch und Tier. Die Aufzählung könnte hier weiter gehen und lang werden.
Damit wir im Einklang mit der Natur auf diesem Planeten existieren können, müssen wir unsere Technik mit Ethik kombinieren. Nur so entsteht eine neue gesellschaftliche Utopie, die uns einen anderen Spiegel vorhält: Wirtschaften ohne die Grenzen des Wachstums zu sprengen. Social Media Influencer, die ihre Reichweite nicht nutzen, um ihr tolles Leben zur Schau zu stellen und zu zeigen, was höher, schneller, weiter heute bedeutet, sondern um Positive Impact für den Planeten und uns Menschen zu erzeugen. Eine Ernährung, die nicht Leid und Krankheit unterstützt, sondern andere Lebewesen und diesen Planeten mit Respekt behandelt. Zum Beispiel, indem wir Blaubeerkuchen statt Bananenbrot backen. Das ist genauso lecker, regional und verbraucht weniger Ressourcen.
Alle Debatten zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise drehen sich im Kern darum, der wirtschaftlichen Technik eine Moral zu verleihen, also Abstand zu nehmen von Ausbeutung, Naturvergessenheit und Unmenschlichkeit. Die Philosophie der Circular Economy unterscheidet sich deshalb von bisherigen Wirtschaftsphilosophien, da sie der Natur eine eigene Rolle zuschreibt, die einen eigenen Wert besitzt. Sie geht von der Annahme eines emotionalen Menschen aus, der sich auch rational, intelligent und lernend verhält. Sie geht nicht nur davon aus, dass wir als Homo Sapiens durch unseren IQ geprägt sind, sondern auch durch unseren EQ, also unsere emotionale Intelligenz. Der Homo Circularis wird damit zu einem Element im natürlichen System und ist nur eine von vielen Spezies dieser Zeit.
In einer Circular Society werden die Menschen befähigt, sich in Systeme einer Welt gegenseitiger Abhängigkeiten, Beziehungsgeflechte, natürlicher Regeln und Besonderheiten einzuordnen. Die Menschen in dieser zirkulären Utopie stellen sich nicht auf eine hierarchisch höhere Stufe, als alle anderen Spezies dieser Welt. Sie spielen nicht ständig Blame Game. Sie haben Respekt und übernehmen Verantwortung für Fehler. Sie sind darauf trainiert, resiliente Überlebensmechanismen zu erwerben. Und sie wissen, sie sind Gleiche unter Gleichen. Sie fühlen sich als Teil eines Ganzen. So praktizieren sie respektvollen Umgang mit dem Leben auf diesem Planeten.
Viele Menschen der grünen Bewegung würden jetzt vielleicht schon zustimmen und für sich in Anspruch nehmen, ein Homo Circularis zu sein. Schließlich trennen sie Müll, tragen zur Energiewende bei, sparen Strom, ändern ihr Mobilitätsverhalten und steigen vom Diesel auf ein e-Auto um oder treten sogar zum Veganismus über. Das sind alles gute Schritte für den Eintritt in eine Circular Society. Denn damit erweitern wir unser Verständnis für die Kreislaufwirtschaft. Was noch fehlt, ist ein emotionales Grundverständnis. Wir müssen begreifen, dass eine Circular Society nur existieren kann, wenn wir verstehen, dass wir eben nicht rein rational ticken, so wie wir als Homo oeconomicus beschrieben werden, sondern dass wir Menschen sind, die nicht nur Fleisch und Blut, sondern auch Bauchgefühl, Unterbewusstsein und Energie sind. Keine lineare Einbahnstraße, sondern vielmehr ein Netzwerk, in dem Natur und die Lebewesen auf diesem Planeten miteinander verbunden sind. Unsere Aufgabe ist es, die Circular Economy nicht weiter von hinten aufzuzäumen, indem wir erst die Technik, dann die Gesellschaft und dann den Einzelnen betrachten. Sondern mit dem zu beginnen, was uns selbst betrifft, also auch mit und bei uns selbst. Wie sollen wir sonst ein System verändern, in dem wir uns selbst gefangen halten? Das hat schon Gandhi erkannt: „Verändere dich und du veränderst die Welt.“ Aber eben nicht, indem wir zuhause (zwar auch, aber nicht nur) den Müll richtig trennen, sondern indem wir uns auf die Suche nach unserer Naturverbundenheit machen. Jeder Homo Circularis, der Antworten darauf findet, bildet den Grundstein für eine funktionierende Circular Society, in der eine Circular Economy funktionieren kann.
Wie die neue Beschreibung gelingen kann: Herausforderungen für die Circular Economy
Am Anfang der neuen Beschreibung einer Circular Economy steht der Homo Circularis, der sich beim Aufbau der neuen Utopie einige Mindset-Fragen stellen muss: Wie gelingt der sozial-ökologische Umbau? Was bedeutet Circular Economy? Wie soll die Zukunft eines guten Lebens aussehen? Auf der Suche nach Antworten muss er sich radikalen Glaubenssätzen stellen. Auf der einen Seite stehen die Kritiker der ökologischen Modernisierung. Sie glauben nicht an den Klimawandel und haben Angst vor Veränderungen. Eine ökologische Transformation sei weder notwendig, noch möglich, sagen sie. „Wir können doch nicht zurück unter den Stein kriechen.“ Auf der anderen Seite stehen die Technologie-Kritiker. Eine Circular Economy sei nicht genug, denn wir wären ja immer noch abhängig von Technik, die uns immer wieder in Rebound-Fallen lockt: „Grüne Technologien können nicht funktionieren, wir technologisieren uns nur noch tiefer in die Misere.“ Beide Stimmen sind berechtigt.
Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte, zwischen Unter den Stein kriechen und Grünen Technologien, die die Natur weiter ausbeuten. Fortschritt bedeutet, aus Fehlern zu lernen. Die Circular Economy ist eine Weiterentwicklung ökonomischer Philosophie, die eine Brücke bauen soll, zwischen einer hoch technokratischen Welt voller Abhängigkeiten und Empathiemangel hin zu den Gesetzen der Natur.
Die noch zu lösenden Aufgaben am Beispiel der Energiewende zeigen das Dilemma der Rebound-Effekte: Auch wenn Verbrauchsstoffe erneuerbar hergestellt werden und zur Minderung des Treibhauseffektes beitragen, sind die Energieerzeugungsanlagen noch lange nicht naturverträglich. Auch sie müssen technisch kreislauffähig werden. Das heißt Windkraftanlagen und Solaranlagen müssen recyclingfähig sein. Nur so können sie dauerhaft in der wirtschaftlichen Nutzung belassen werden. Denn gerade die seltenen Metalle, die mit großen Anteilen in Windkraftanlagen, PV-Modulen oder E-Autos stecken, werden bald so nachgefragt sein, wie Öl es einmal war. Wir müssen sie auch aus Produkten zurückholen können. Wir müssen nutzen statt zu verbrauchen.
Im Spiegel der menschlichen Grausamkeit unseres Wirtschaftens sehen wir, wie jährlich fast 100 Milliarden Tonnen Rohstoffe aus diesem Planeten gegraben werden. Nicht einmal 9 % davon bleiben im wirtschaftlichen Kreislauf. Die unvorstellbare Dimension von über 90 Milliarden Tonnen Rohstoffen pro Jahr verschwinden in unbekannten Nutzungen, als Abfall in der Landschaft oder als verbrannte Emissionen in der Luft. Kupfer- oder Titanminen in Chile oder China machen uns extrem deutlich, wie die Grünen Technologien den Tribut an der Natur fordern. Hier liegen Aufgaben vor uns, sonst werden wir die Vision einer Welt ohne Abfall im Green Deal nicht erreichen. Dann machen wir weiter, was Generationen vor uns bereits nicht lösen konnten – nur ein wenig anders, indem wir die Naturzerstörung auf gute moralische Grundsätze bauen.
Die Europäische Kommission ist bei der Definition der Circular Economy sehr konkret geworden, das hat überrascht. Ihre Definition stammt aus dem Jahr 2017. Sie schreibt uns das Lösen der o.g. Aufgabe damit ins Pflichtenheft. Und sie entspricht dem Denkmodell der Philosophie fast gänzlich.
Danach soll in einer Ökonomie der Wert von Produkten und Materialien so lange wie möglich erhalten bleiben. Abfall und Ressourceneinsatz müssen minimiert werden. Der Stoffkreislauf soll innerhalb des ökonomischen Systems geschlossen werden, so dass Produkte, welche das Ende ihrer Nutzungsphase erreicht haben, wieder als Ressource dienen, um auch in der Zukunft Werte zu schaffen. Was in der Definition zwar fehlt, aber die EU eingeleitet hat, ist, dass es zukünftig keine gefährlichen Substanzen mehr geben darf, die im Umlauf sind. Alle giftigen Stoffe sollen aus dem Wirtschaftskreislauf ausgeschleust und vernichtet werden. Die Vision einer Welt ohne Abfall ist damit zwar nicht deutlich formuliert, aber ausgeschlossen ist sie nicht. Vor allem gehen die Schritte in die richtige Richtung. Ein Schritt wäre das Ende der Müllverbrennung, sobald alle gefährlichen Substanzen ausgeschleust wurden. Damit schließt sich die Frage an, ob der strategische Ausstieg aus der Müllverbrennung nicht schon heute verhandelt werden muss?
Die EU hat noch viel zu tun, um das Ziel zu erreichen. Und die Entscheider wissen das auch, denn Europa hat einige Erfahrung und auch schon viel Zeit für die Entwicklung der Circular Economy aufgewendet. Bereits 1975 hat die EU die erste Richtlinie zum Abfallmanagement herausgegeben und 1996 weitreichende Kreislauf-Richtlinien. In 2005 ist dann die Schließung der Deponien in Europa verkündet worden. Seit 2017 gibt es eine EU-Plastik-Strategie und 2019 trat das EU-Circular Economy Package in Kraft. Das ist Grund zur Freude für die Community der C2C-Innovatoren. Sie können Hoffnung schöpfen, dass endlich auch die Öko-Design Richtlinien angepasst werden und vor allem in den Mitgliedsstaaten greifen. Das C2C nach dem Designprinzip von Prof. Dr. Michael Braungart gibt vor, wie optimale Produkte für eine Circular Economy kreiert werden sollen, damit eine saubere und endlose Nutzbarkeit gewährleistet ist. Wer sich mit C2C auseinandersetzt, findet schnell das einfache Prinzip eines biologischen und eines technischen Kreislaufes heraus, wonach Verbrauchsmaterialien dem biologischen und Nutzungsgüter dem technischen Kreislauf zugeordnet werden dürfen. Beispiel ist hier wieder die Energiewende. Wenn erneuerbare Energie aus Wind, Wasser, Sonne oder Biomasse hergestellt wird und als Verbrauchsgut zum Einsatz kommt, so sollten die technischen Anlagen zur Erzeugung nicht toxisch sein, aber langlebig, zerlegbar, reparierbar und recycelbar. Deshalb finden in der C2C Welt vor allem Monomaterialien Verwendung, die nicht geklebt, sondern nur geschraubt werden, damit vom Design her alles reparierbar bleibt. Schließlich bietet das RESOLVE-Prinzip eine gute theoretische Grundlage, die wie ein ökonomisches Werkzeug funktioniert. RESOLVE steht für (REnew, REuse, REpair, REfurbish, REcycle, Share, Optimize, Close the Loop, Virtualize, Exchange).
Eine Hauptaufgabe der Circular Economy ist die Überwindung des Rebound-Effektes. Hierbei ist Öko-Effektivität das Schlagwort. Der Rebound-Effekt entsteht unbeabsichtigt. Als im Zuge der ersten industriellen Entwicklungsphase die Kohle das Fällen von Bäumen zur Energiegewinnung ablöste und man sich erhoffte, dass sich die Wälder Europas erholen würden, drohten in London die Menschen bereits durch die Emissionen der Kohle zu ersticken. Also löste das Erdöl die Kohle ab, später die Atomenergie. Was aber folgte, war die immer schnellere Entwicklung und das Verschlingen von mehr und mehr Ressourcen. Von der Entkopplung von Ressourcen ist nicht viel zu spüren. Und genau das gefährdet unsere eigene Existenz. Jetzt ist es Zeit, dass der Homo Circularis seinen IQ, seinen EQ und seine Lernfähigkeit unter Beweis stellt!
Was wir tun müssen, um die Circular Economy real werden zu lassen: Recyclingquoten oder EU-Plastik-Steuer – was wirkt besser? Eine Debatte, die sich im Kreis dreht, wenn Politik nicht entscheidet.
Anfang November konnten sich die Organe der EU auf den nächsten langfristigen Haushalt 2021-2027 einigen – ein Bestandteil ist eine Plastiksteuer, die zum 1. Januar 2021 greifen sollte. Da schien es noch, als würde die chinesische Green Fence Politik Europa in Bewegung setzen. Aber der Schein trügt: Die deutsche Debatte zieht ihre Kreise langsam und die Bundesregierung ignoriert das Thema Circular Economy. Einzig der Umgang mit Plastiktüten wurde gerade im Bundestag beraten und entschieden – es sollen weniger davon im Umlauf sein. Aber das reicht nicht aus!
Wer jetzt auch noch daran denkt, dass Konsument*innen die Steuer wahrnehmen würden, und sie deshalb eine Lenkungswirkung entfalten könnte, der irrt. Denn im Rahmen des am 10. November 2020 beschlossenen Multiannual Financial Frameworks der EU (kurz: MFF) werden Beiträge der EU-Mitgliedstaaten auf Basis der Menge nicht recycelter Kunststoffverpackungsabfälle berechnet. Das macht klar, dass es sich nicht um eine Steuer handeln kann, sondern dass sie eine Berechnungsmethode ist, die den EU-Haushalt und deren nationale Beiträge dazu regelt. Nennen wir sie also Abgabe. Sie wird ca. 800 € pro Tonne nicht recycelter Kunststoffverpackungen kosten und soll die Sammel- und Recyclingmaßnahmen erhöhen. Die aktuelle Debatte der Industrie darüber, ob Produktpolitik hier besser greifen würde, als materialspezifische Quoten, scheint in eine Scheindebatte zu mutieren.
Es ist offensichtlich, dass die Bundesregierung nicht entschieden genug voran geht. Vor dem Hintergrund der Corona-Krise könnte sie die gebeutelte Recyclingindustrie durch Zuschüsse für Investitionen in Sortieranlagen oder die Hersteller für die Einführung von Produktpässen zur Nachverfolgung von Produkten und Material unterstützen. Hier können Potentiale direkt gehoben werden. Wir werden uns des gesamten Instrumentarienkastens der Regulatorik bedienen müssen, um weiter zu kommen. Dazu zählt nicht nur eine ambitionierte Erhöhung von Sammel- und Recyclingquoten, auch Produktverbote von Einwegproduktverpackungen (die immerhin 40 % an Kunststoffabfällen ausmachen) und eine Ökodesignrichtlinie, die hält, was der Name verspricht, müssen kommen.
Bis 2050 eine Industrie zu entwickeln, die im Kreislauf funktioniert ist keine Utopie. Das ist eine realistische Vision. Aber es braucht viele, die das verstanden haben und daran mitwirken.
Circular Economy bis 2050 – Was bedeutet das noch? Jüngste Studien zum Verbrauch von Ressourcen auf unserem Planeten zeigen, dass bis zu 100 Mrd. Tonnen Material, Flüssigkeiten oder Stoffe von diesem Planeten entnommen werden, um unsere industriellen Bedürfnisse zu befriedigen. Natürlich sind Trink- und Industriewasser sowie Biomasse die Materialien, die wir heute als am ehesten zirkuläre bezeichnen können. Erst ab Platz drei folgen dann verschiedene Metalle, Papier oder etwa Asphalt. Insgesamt fließen nicht einmal 9 % aller Produkte in einem Kreislauf. Und die Wissenschaft hat nur unzureichend Informationen darüber, wo jährlich 90 Mrd. Tonnen Stoffe und Materialien verblieben sind, die wir vorher aus dem Planeten entnommen haben. Wie kann das sein?
Anlässlich des 5. Europäischen Ressourcenforums 2020 wurde deshalb der Ruf nach einem „Intergovernmental Panel for Resources“ immer lauter. Ähnlich der Forschungsarbeit für das Klima durch das IPCC (Intergovernmental Panel for Climate Change) könnte dann die Wissensarbeit auf diesem Planeten dazu beitragen, die Circular Economy zu entwickeln. Hoffnung macht, dass jüngst die Anzahl der beobachteten Forschungsarbeiten gestiegen ist. Wenn noch vor wenigen Jahren nur ca. 300 Veröffentlichungen zu Kreislaufthemen erschienen, so waren es im letzten Jahr rund 3000. Immerhin ein Anfang. Aber das wird nicht reichen, um das Thema adäquat zu beschreiben oder gar zu lösen.
Die ökonomische Dimension der Lenkungsmechanismen birgt Kommunikationsbedarf. Prof. Stahl lehrt als Baustein der Circular Economy die „Perfomance Economy“. Er beschreibt, wie eine Ökonomie, die wieder mehr repariert, umbaut und ausbaut als in einer Wegwerf-Gesellschaft, auch höhere Löhne und Gehälter für eben diese Dienstleistungen, also die Performance, gezahlt werden müssen. Die Senkung oder sogar Abschaffung von Steuern auf Arbeit macht als Lenkungsinstrumentarium vor diesem Hintergrund plötzlich richtig viel Sinn. Die zirkulären Business-Cases um Sharingmodelle, benutzen statt besitzen und „product as a service“ passen hier gut hinein. Die Besteuerung von C02 oder treibhausschädlichen Gasen ergänzt das Lenkungsinstrument. So wird die Circular Economy konkret. Und wie sollte eine Zukunft ohne Circular Economy überhaupt aussehen?
Am Ende ist die Realität, dass es ohne Zirkularität nicht geht. Und dass eine Zirkularität nicht existieren kann, ohne sich in die Realität einzubetten. Ein Business-As-Usual wird nicht funktionieren, genauso wenig wie die Vorstellung, wir könnten uns gänzlich von bisherigen Annehmlichkeiten verabschieden. Wir brauchen eine Brücke. Die Circular Economy kann diese Brücke bilden. Aber eine ökonomische Theorie der Zirkularität wird erst Realität, wenn wir als Mensch ins Handeln kommen. Wie handelt ein Homo Circularis? Er repariert, statt wegzuwerfen. Er baut Gemüse an, statt zu importieren. Er spricht über Themen der Selbstverwaltung. Hier ist Raum für Diskussion, wie wir uns als Homo Circularis in eine Circular Society einbringen. Um gemeinsam die Brücke in eine enkeltaugliche Zukunft zu bauen.
So, was hat das alles jetzt nochmal mit Bananenbrot zu tun? Eigentlich nichts. Aber irgendwie auch alles. Es geht um die kleinen Dinge im Leben und die Frage, wie gutes Leben aussehen kann. Und wie schön wäre eine Circular Society, in der wir gelernt haben, mehr auf unser „Bauch“-Gefühl zu hören und Circular Impact direkt selbst zu kreieren? Und Bananenbrot klang halt einfach saftiger als „eine philosophische Abhandlung über die Grenzen der Circular Economy“.