01.2024 Literaturtipp – Die Unterwerfung von Philipp Blom
Vom Ende der menschlichen Herrschaft.
Und vom Neubeginn des menschlichen Seins.
Die aktuellen Bauernproteste zeigen mal wieder: Klimaschutz wird gegen den Schutz menschlicher Interessen gestellt, wie die Grundversorgung mit Lebensmitteln. Und natürlich kennen wir die Argumente, mit denen wir für klimafreundliche Landwirtschaft und Tierschutz werben. Dennoch verfängt das Argument, das Klimaschutz kein Menschenschutz ist, auf subtile Art. Grund also, dieser Metapher nachzuspüren. Denn nur, wenn wir verstehen, warum der vermeintliche Gegensatz von Natur und Kultur (Mensch als kulturelles Wesen) so gut verfängt, können wir beginnen, ihm eine angemessene Antwort zu geben. Dazu können wir auf den Bestsellerautor Philipp Blom schauen. Blom hat mit „Die Unterwerfung“ einen Blick auf die große Veränderung des seit über 3500 Jahren kulturellen dokumentierten Paradigma der menschlichen Herrschaft über die Natur geworfen. Als Historiker und Philosoph mit Lebensmittelpunkt in Wien nimmt er uns mit auf eine 368 Seiten lange Reise durch die Geschichte, um das Paradigma der „Menschlichen Herrschaft“ zu ergründen, welches im globalen Norden oft durch die Genesis 1:28 der Bibel mit der Aufforderung Gottes verbunden ist, dass wir uns mehren und uns die Erde untertan machen, nicht zuletzt mit unserer Art zu wirtschaften. Blom zeigt uns, dass wir dieses Verständnis auch in den anderen Weltreligionen und Kulturkreisen finden. Und es bringt Mechanismen mit, die zu einer Bereinigung von Andersdenkenden führen soll. So beschreibt er den „Ethic Clensing-Mechanismen“ und leitet daraus die großen kognitiven Schwierigkeiten ab, neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Folge systemische Zusammenhänge, den Klimawandel und die Natur als solche nicht im Konflikt mit unserer Kultur zu denken.
Die wunderbare argumentative Herleitung, dass NUR der Glaube oder die Überzeugung an die Herrschaft des Menschen auf der Erde zu einem dauerhaften Konflikt zwischen Natur und Kultur führen konnte, hat mich dann doch irgendwie erleichtert. Als Politikerin, insbesondere als Grüne Wirtschaftsministerin, bin ich immer wieder mit den Argumenten konfrontiert worden, dass ich nicht menschenfreundlich handeln würde, wenn Prioritäten für Themen der Natur und des Klimas gesetzt wurden. Die ungeheure Wucht und das Verfangen dieses Arguments erstaunten mich immer wieder. Sie erschüttert und macht völlig fassungslos. Blom trägt jedoch dazu bei, dass ich die kulturelle Programmierung dieser Hybris des Menschen noch besser nachvollziehen kann. Nur so können wir ihr nämlich auch begegnen.
Eine Hilfestellung ist die Erinnerung an Humboldt und sein Lebenswerk, dessen Aufgabe es war, die Welt als Ganzes zu beschreiben und sein Werk als Kosmos zu erfassen. Damit sind wir beim Systemdenken, der Systemanalyse oder Systemmanagement und können uns die Frage stellen, welches System wir selbst verkörpern? Blom fasst prägnant zusammen, dass unser Körper auch nur ein „symbiotischer biologischer Ereignishorizont mit einem inneren Puppentheater“ sei, der den alten Adam ersetze. Damit beschreibt er, dass unser „erlebendes Ich“ doch nur ein von Milliarden von Mikroorganismen mit eigener Genetik bestimmter Körper sei. Die Frage, ob unser Erleben, unser Bewusstsein und unser Horizont von Begehren und Lust oder Schmerz doch nur ein Aspekt der Symbiose vieler Tausend Spezies sei, beantwortet fast das kulturelle Ziel der Hybris der menschlichen Herrschaft. Denn diese verlangt nach ewigem Leben.
Die Erkenntnis dieser Unmöglichkeit hat einen Preis. Den Preis des radikalen Denkens des Menschen als ein Wesen, das unentrinnbar mit der Existenz aller anderen Lebewesen auf diesem Planeten verstrickt ist. Dass Freiheit deshalb vielleicht nur eine Illusion ist, schreibt Blom nicht. Aber die Frage liegt unausgesprochen auf dem Tisch.
Die Beschreibung des Menschenbildes des Homo Circularis, welches eine Antwort darauf geben könnte, mit welchem Verständnis wir gerne leben, wohl in der Erkenntnis unfrei zu sein, zeigt für uns in die richtige Richtung. Deshalb verweisen wir gerne noch einmal darauf: