Wie zirkulär sind die zirkulären Materialien der Welt wirklich?

Die Top 10 der zirkulären Materialen

Kennen Sie die weltweit größten Materialströme, die zirkulär gemanagt werden? Für Thinking Circular® stellt sich diese Frage im Rahmen unserer Beratungstätigkeit häufiger. Denn Unternehmen, die sich der Circular Economy zuwenden, wollen genau wissen, welche Effekte die Einführung einer zirkulären Wirtschaftsweise hat und welche Vorteile ihr Unternehmen und die Umwelt dadurch haben. Der Blick auf die erfolgreichsten Stoffe, die durch Menschen im Kreislauf bewirtschaftet werden, kann darüber Auskunft geben. Deshalb hat Thinking Circular® diese Frage aufgegriffen. Die Studie zu den TOP 10 der zirkulären Materialien und die Folgestudie zu den BIG 5 der zirkulären Materialien bieten nun Einblicke in die industrielle Entwicklung der Circular Economy aus systemischer Sicht und die Möglichkeit zur kritischen Betrachtung. Denn der industrielle Erfolg, der damit für den Globalen Norden verbunden wird, hat Schattenseiten im Globalen Süden unseres Planeten und auch zum Klimawandel beigetragen. Eine unkritische Entwicklung der Circular Economy darf es deshalb nicht geben, so auch das Fazit der Studien. Grund genug, in beide Studien einen Blick zu werfen.

Die aktuellen Überschwemmungsereignisse in Deutschland und Europa, welche die Dürren der letzten Sommer unerwartet ablösten, zeichnen ein deutliches Bild: der Klimawandel ist auch in Deutschland angekommen. Gleichzeitig stellen sich Fragen, wie ein an die Klimaveränderung angepasster Wiederaufbau aussehen kann. Für die Grundzüge einer an den Klimawandel angepassten Wirtschaftsweise hat die Politik die Circular Economy identifiziert. Die damit verbundenen Prinzipien sollen nun dazu beitragen, neun Milliarden Menschen auf diesem Planeten ein gutes Leben zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund interessierte uns vor allem, was wir von den erfolgreichsten zirkulären Materialien, die im Vergleich mit anderen Stoffen deutlich früher recycelt und in einem Kreislaufsystem geführt wurden, lernen können.

Auf der Suche nach den zehn zirkulärsten Systemen

Unsere Suche begann bei dem, was jährlich aus unserem Planeten entnommen wird. Denn jedes Jahr wird die unvorstellbare Menge von rund 100 Milliarden Tonnen Material dem Planeten Erde entrissen und erfasst. Davon werden 10 % zirkulär gemanagt. Diese Daten beruhen auf offiziellen Angaben, die staatlich erhoben und wissenschaftlich ausgewertet wurden. Aus dem globalen Süden dieser Welt wissen wir viel weniger als aus dem Norden, denn dort ist der Anteil der informellen Wirtschaft ungleich höher. In der Kreislaufwirtschaft wird er sogar auf bis zu 80 Prozent geschätzt. Diese gerundete Abschätzung hilft, den Überblick zu wahren. 40 Prozent der gesamten erfassten Mengen ist Wasser. Trink-, Grau- oder Schwarzwasser, das wirtschaftlich nutzbar gemacht und aufbereitet wird, bevor es der Natur wieder zurückgegeben wird. 20 Prozent ist Biomasse agrarischen Ursprungs. 15 Prozent sind Materialien, die wir genauer untersucht und mengenmäßig gerankt haben. Die verbleibenden 25 Prozent bestehen aus rund 200 weiteren, weltweit erfassten Materialien, zu denen Daten zur Aufbereitung oder dem Recycling vorhanden sind. Angesichts der Tatsache, dass alleine die Europäische Chemikalienverordnung rund 2.000 Stoffe, Flüssigkeiten und Gase listet, und Produkte oder Materialien oft eine Kombination der 2.000 Stoffe darstellen, ist dies eine unvorstellbar kleine Größe. Das sagt uns zunächst, dass wir über Zirkularität unserer Ökonomie noch fast nichts wissen und erheblicher Forschungsbedarf besteht.

Die Recyclingrate ist mittlerweile weltweit DIE Größe, mit der Zirkularität am meisten gemessen wird. Sie ist einfach am Ort des Recyclingunternehmens zu erfassen und statistisch abzubilden und findet sich in zahlreichen kongruenten Quellen wieder. Sie bildete somit den Ausgangspunkt für unsere Analysearbeit.

Die einzelnen Materialien und ihre zirkuläre Reife in der jeweiligen globalen Region (nach Kontinenten gegliedert) wird durch Scorecards abgebildet. Die Scorecard wurde gemäß den Zielen des Circular Economy Toolkits entwickelt, wie sie auch die Ellen Mac-Arthur Stiftung verwendet. Das Rating wurde aus den Erkenntnissen aller Quellen generiert und ist eine strenge Vereinfachung, die in funktionaler Form vorgenommen wurde. Betrachtet wurden politische Interventionstypen (Gesetzgebung zur Circular Economy, wie z. B. das Vorhandensein von Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzen, Produktverantwortung, Designvorgaben, etc.), die Verfügbarkeit von Recyclingtechnologie, Marktreife und Stabilität des zirkulären Marktes sowie die Akzeptanz in der Bevölkerung mit Bezug zum Wert des Materials, der Sammlung und dem Recycling. Weitere Kriterien des RESOLVE-Prinzips, wie Erneuerbarkeit des Rohstoffes, Reparaturfähigkeit, die Art des Businessmodell (z. B. Sharing-Economy) oder technische Besonderheiten zur Sammlung (wie die Nutzung von Apps, Track-and-Trace etc.) sind bei dieser ersten Studie zunächst nicht betrachtet worden.

Die Besten sind nur durchwachsen….

Grundsätzlich fällt auf, dass insbesondere der globale Süden bei der Bewertung der Zirkularität schlechter abschneidet als der globale Norden. Das Prinzip der Entnahme von Rohstoffen aus dem globalen Süden, die industrielle Verarbeitung im Norden und die Entsorgung von Abfällen, die wieder in den Süden führt, wird durch viele Quellen gestützt. Ein Grund ist, dass die dortigen zirkulären Systeme noch nicht stark entwickelt sind, währenddessen sie im Norden des Globus eine industrielle Struktur aufweisen. Die systemische Betrachtung offenbart, dass die erfolgreichsten Materialien Teil der Wachstumsgeschichte und des Anthropozäns sind, also auch die Ursachen für den Klimawandel mitgeliefert haben. Es werden jedoch auch Muster und Unterschiedlichkeiten deutlich und die Facetten von Erfolg:

Hier ist das Beispiel zum Recycling von Straßenbelägen aus Japan erwähnenswert. Japan hat vor mehr als 30 Jahren mit einer kohärenten Strategie zum Recycling von Straßenbelägen begonnen und sämtliche Regierungsaktivitäten strategisch darauf ausgerichtet. Heute gilt das Ziel als erreicht. Das Industrieland auf kleiner Fläche, das als Insel nur über begrenzten Raum verfügt, hat die Grenzen des Wachstums schon vor langer Zeit erkannt. Dennoch dauerte es mehr als 30 Jahre, die Straßensanierung in ein zirkuläres System umzuwandeln. Die Japaner bewirtschaften ihren begrenzten Raum heute besser als vor 30 Jahren und haben sich an Recyclingasphalt gewöhnt. Schutt aus alten Straßen braucht in Japan keinen weiteren Deponieraum, so bleibt mehr Platz für Natur. Das kann am Ende auch ein Beitrag zum Artenschutz sein, der ein Element des Klimaschutzes ist.

Das Beispiel der Reifenrunderneuerung erzählt uns viel über zirkuläre Potentiale und auch darüber, wie fest Verhaltensmuster einer Wegwerfgesellschaft an einzelne Güter gekoppelt sind. Hier sind die wahren Brücken zur Circular Economy erst noch zu bauen. Jede Runderneuerung entlastet den C02-Ausstoß um 40 Prozent. Aber Menschen lassen sich von der Runderneuerung abhalten, weil sie glauben, dass diese eine schlechtere Qualität und damit auch Sicherheitsmängel aufweisen würden.

Und so macht die Studie zunächst deutlich, wo noch genaueres Hinschauen nötig ist, z. B. beim Papierrecycling. Papierfasern können nicht endlos recycelt werden und müssen mit längeren Fasern aufgefrischt werden. Zudem wird mit dem Einsatz konventioneller Farben und Drucktechnik kein Cradle-to- Cradle-Prinzip verfolgt.

Rebound Effekte, die den Klimawandel herbeigeführt haben, entstanden unbewusst. Um uns Ursache und Wirkungszusammenhang klarzumachen, ist es wesentlich, ein Verständnis für die Entstehung der Systeme zu erlangen, damit wir bewusst wirtschaftliche Entscheidungen treffen können, die positiv auf Klima und Umwelt einzahlen.

Unsere Studien (in Englisch) erhalten Sie hier.

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