Zwei Jahre nach der Flut – eine nüchterne Betrachtung

Wissenschaftliche Lehren und Aufarbeitung der Folgen des Hochwassers im Ahrtal 2021

Am vergangenen Samstag, den 1. Juli 2023 hat Thinking Circular® zusammen mit der Volkshochschule Ahrweiler als Veranstalter in der Umweltlernschule des Landkreises Ahrweiler mit Wissenschaftler*innen, Politiker*innen und Betroffenen aus der Region Bilanz gezogen. Die Frage, welche Veränderungen sich im Ahrtal in Richtung Klimaschutz und -anpassung zeigen, vor allem für zukünftige Hochwasserereignisse, klang ernüchternd und zugleich hoffnungsfroh. Denn es gab auch Lichtblicke, wegweisende Entscheidungen und viel Aufmerksamkeit für die Fragen, was nun zu tun ist. Der umfangreiche Hintergrund seitens der Wissenschaft steht Ihnen zum Download zur Verfügung. Erfahren Sie hier, worauf der gemeinsame Blick sich richtete:

Christian Hofeditz, Leiter der Volkshochschule Ahrweiler konnte führende Wissenschaftler*innen begrüßen, um vier Themenkomplexe zur Diskussion zu stellen, die von Eveline Lemke (Thinking Circular®) moderiert wurden.

 

Kommunikation in Katastrophen; Entwicklungen im Zeitvergleich

Eveline Lemke, Michael Kahle, Uni Freiburg

Michael Kahle forscht zur Kommunikation von Umweltereignissen am Institut für

Physische Geografie der Universität Freiburg.

Er dokumentiert dabei über eine Klimarekonstruktion von Extremwetterereignissen die Medienresonanz und wendet Instrumente der „Systems Innovation“ an und nutzt Mapping als Methode, schnelle prägnante Einsichten in umfängliche Datenlagen zu bringen. Hierbei wird es möglich, mehrere Forschungsperspektiven im Blick zu halten. Dabei fiel sein Blick auch auf die Hochwasserereignisse aus den Jahren 1804 und 1910, welche eindeutig zeigen, dass die Berichtsbreite und -tiefe über die Zeit extrem gestiegen ist. Dies entspricht unserer modernen Medienwelt, in der mehr Menschen, mehr Organe und mehr Fachwissen bei der Berichterstattung die unterschiedlichen Themen beleuchten kann.

Quelle: (Kahle, Environmental Research Communication, Uni Freiburg). Das Dokument findet sich hier: https://iopscience.iop.org/article/10.1088/2515-7620/ac6657

Präsentation Michael Kahle

Diese ist aus objektiver Forschungssicht eine positive Entwicklung und entspricht oft nicht der subjektiven Eigenwahrnehmung der Betroffenen im Hochwassergebiet oder der hier schreibenden Journalist*innen. Dies spiegelte sich auch in der Diskussion mit den Betroffenen wieder.

Daniel Robbel, Krupp Verlag

Eveline Lemke hat deshalb Daniel Robbel, welcher für den Krupp-Verlag in Blick-Aktuell veröffentlicht, zur Diskussion auf das Podium geladen. Er hat die Flut persönlich vom ersten Moment miterlebt und intensiv Informationen für die Menschen vor Ort geliefert. Hierbei war er permanent mit der Frage konfrontiert, welche Information den Menschen vor Ort hilft und was sie benötigen. Gleichzeitig hat er Wert darauf gelegt, nicht als Katastrophen-Journalist wahrgenommen zu werden. Dies zeigt sich bei Betrachtung der Fotos, die er nach dem Hochwasser aufgenommen hat. Mehr als 8.000 Bilder sind entstanden. Sie zeigen jedoch keine Betroffenen und ihre emotionale Betroffenheit aus Respekt vor der Privatsphäre der Menschen. Klar war für ihn: Die Menschen brauchen unterstützende Informationen und sind weniger an der politischen Ursachenforschung und Frage der Schuld interessiert. Zudem war nach einem ersten nationalen- und internationalen Medienhype festzustellen, dass die wirklichen Belange der Menschen kaum Niederschlag in den Berichten gefunden hatten, insbesondere nachdem die Bundestagswahl stattgefunden hatte und das Thema aus den Medien fast verschwand. Stattdessen hätte es auch Fake-Informationen gegeben, welche zur Flucht aus Häusern angeregt hätten, vielleicht um Raub- und Diebstahl zu begünstigen, vermuteten einige Teilnehmer*innen. So auch Herr Friedsam aus Sinzig, welcher von Medienmitarbeitenden eine Verantwortung und Überprüfung von Meldungen forderte, um Panik aus Falschmeldungen wie zum vermeintlichen Dammbruch zu vermeiden. Dr. Jürgen Haffke, Autor des Buches „Spuren der Flut im Ahrtal“ bemängelte die geografischen Kenntnisse von Journalisten und beschrieb die vorherrschenden kommunalen oder Landesgrenzen als Hürde für eine gute Berichterstattung. Christian Molke, der Geschäftsführer der ADRA e. V., der für Deutschland Hilft die Hilfe im Ahrtal organisiert hat, betonte, dass aus diesem Grunde die Info-Punkte der Hilfseinrichtungen vor Ort betrieben worden sind, um die vorgenannten Mängel der Kommunikation durch direkte Ansprache der Menschen vor Ort zu überwinden.

Zudem stellte sich nun die Frage für die Teilnehmenden, wie die Lehren regelmäßig für die Menschen im Ahrtal berichtet werden könnten. Die Teilnehmenden der Veranstaltung betonten, dass es nicht einmal einen Flyer mit Hinweisen zu korrektem Verhalten bei der Flut gebe, welcher den Einwohner*innen zur Verfügung gestellt würde. Und der Krupp-Verlag sagte zu, monatlich einmal mit einem Infoformat Wissen zu Hochwasser zu vermitteln, was ein erstes Ergebnis der Veranstaltung darstellte.

 

Integrativen Risiko- und Sicherheitsplanung; Aktuelle Erkenntnisse zur Blaulichtfamilie

Prof. Dr.-Ing. Alexander Fekete, Technische Hochschule Köln

Prof. Dr. -Ing. Alexander Fekete nahm den Faden zu Fragen von Wirkung von Kommunikation in seinem Vortrag zur Integrativen Risiko- und Sicherheitsplanung direkt auf. Er vermittelte in seinem Vortrag, dass das Phänomen der nachlassenden Medienaufmerksamkeit oft als Katastrophe nach der Katastrophe empfunden würde und regelmäßig zu beobachten sei. Prof. Fekete hat eine Plattform zur Flut 2021 ins Leben gerufen, um zu ermöglichen, aktualisierte, wissenschaftlich überprüfte Daten zur Verfügung zu stellen. Hier werde alles gezählt und gemessen, was Wissenschaft bei derartigen Ereignissen in den Blick nehmen könne. Zahlreiche Handreichungen, Schlussfolgerungen und institutionalisierte Einrichtungen hätten auch in der Vergangenheit umfassende Empfehlungen zur Verbesserung der Risiko- und Sicherheitsplanung gegeben. Dennoch würden in nicht einmal der Hälfte der Fälle nach einer Katastrophe tatsächlich Veränderungen vorgenommen werden, dies zeige die Wissenschaft eben auch und daneben gebe es auch neuerliche Fehlentwicklungen oder Fehler bei Umsetzungen. Es gäbe also immer einige wenige positive aber auch negative Entwicklungen und Stillstand. Es würde entscheidend sein, wie Menschen mit Widersprüchlichkeit von Entwicklungen umgehen können, um grundsätzlich eine Transformation ausgestalten zu können.

 Plattform zur Flutkatastrophe 2021 DKKV https://dkkv.org/flutplattform/

Präsentation Prof. Dr. Fekete

Christian Molke, ADRA Deutschland e.V., Dr. Lea Heidbreder, MdL, Prof. Dr. Alexander Fekete, TH Köln

Mit Dr. Lea Heidbreder, MdL, Enquete Kommission Zukunftsstrategien zur Katastrophenvorsorge aus dem Landtag Rheinland-Pfalz und Christian Molke, Vorsitzender des Vorstands ADRA Deutschland e.V. haben wir diese Aussagen in der Debatte gespiegelt. Insbesondere die wissenschaftliche Tatsache wie von Prof. Fekete dargestellt, dass die Regierung und handelnden Akteure auch wissenschaftliche Betrachtung und Netzwerkarbeit sowie Evaluation der Handlungen eingeleitet hätten, mit denen sich der Landtag auch auseinandersetzt, sind ja ein gutes Zeichen.

Christian Molke betont, dass es auch im Ahrtal die von Prof. Fekete dargestellte kognitive Dissonanz gebe. So gebe es viele Initiativen, welche Flutmarken zur Etablierung von Erinnerungskultur und Vermeidung von sogenannter Flut-Demenz anbringen. Es gebe Schautafeln, welche auf die Flut hinweisen und es gebe auch neu gegründete Bürgerinitiativen, welche schnelles Handeln zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung anmahnten. MdL Heidbreder betonte, dass sich die Enquete-Kommission auch mit einer Verbesserung des Freiwilligenmanagements seitens der Krisenstäbe auseinandersetzte, denn dies sei verbesserungswürdig gewesen. Die Freiwilligen hätten Großartiges geleistet.  Um daraus Wirkkraft zu entfalten sei es wichtig, dass die freiwilligen Spontanhelfenden mit den professionellen Helfenden einheitlich koordiniert würden und dies auch in Einsatzplanung Berücksichtigung findet. Der Punkt sei aber erkannt und werde einen Aspekt im Bericht der Enquete-Kommission ausmachen.

Im Vordergrund v.l.n.r: Ingo Binnewerg, Manfred Becker, Ralf Urban, Dr. Kay Schaumlöffel

Die Anwesenden mahnen Flutwissen und eine sogenannte Flut-Fibel an, damit in Zukunft alle besser vorbereitet sind und so handeln können, wie die Akteure am Schwanenteich Sinzig, die alle Tiere dort retten konnten. Sie haben vorausschauend agiert und waren damit erfolgreich.

Prof. Fekete betont an dieser Stelle, dass man sich auf eine Katastrophe nicht vorbereiten könne. Das mache den Charakter von Katastrophen aus. Und hierbei seien psychologische Effekte zu berücksichtigen, sogenannte Biases, die in seinem Vortrag dargestellt sind und gerne heruntergeladen werden können. Grundsätzlich könne von Mechanismen der Überforderung ausgegangen werden, weshalb die Erwartung, dass es eine perfekte Vorbereitung gebe, überhöht sei.

Christian Molke betont, dass der Blick der Hilfsorganisationen vor allem auf vulnerable Gruppen gerichtet bleiben müsse. Noch heute versorge die ADRA e. V. in den Nebentälern der Ahr ältere Menschen mit Nahrungsmitteln. Dies dürfe nach 2 Jahren eigentlich nicht mehr der Fall sein. Er schlägt vor, die Einbindung der Freiwilligen mit ihrer Scharnierfunktion in möglichen Agentenrollen stärker zu nutzen. Beispiele sei die Möglichkeiten von Landwirten oder Bauunternehmen, welche über schweres Gerät verfügen, besser zu organisieren. Dies sei, so Lea Heidbreder, bereits der Fall. Als Beispiel nennt sie die Koordinierung von Löschwassereinsatz bei Waldbränden. Hier werden schon heute die zivilen Akteure mit eingebunden. Grundsätzlich sei aber wünschenswert, dass diese Beispiele auch erzählt und vermittelt würden, so dass noch mehr potentielle Agenten identifiziert werden könnten. Dies könnten auch vermehrt Unternehmen sein.

 Die bisherige Forschungsdokumentation der Blau-, Rot- und Grünlichtfamilien für das Ahrtal findet sich unter diesem Link der TH Köln https://elib.dlr.de/192155/1/2022-1%20IRSR_Volume1_2022_Flut_2021.pdf

Eveline Lemke lenkt die Debatte in Richtung der Pläne der Bundesregierung, welche zuletzt eine Sicherheitsstrategie für Deutschland veröffentlicht hat. Darin gibt es einen neuen und wichtigen Begriff, auf den wir unser Augenmerk richten wollen und uns fragen, was er vor Ort bedeutet. Es geht hier bei um die integrative Risiko- und Sicherheitsplanung. Sie möchte erfahren, was „integrative“ und „resiliente“ Planung bedeutet, insbesondere mit Blick auf den Begriff der Systemrelevanz nach der Corona-Pandemie, die die Planung auch in der Abfallwirtschaft verändert und dafür sorgt, dass diese in die Risiko- und Sicherheitsplanung eingehen muss. Sie gilt nämlich nunmehr als systemrelevant.

Die Antwort auf die Einbindung fällt ernüchternd aus. Bisherige Forschungsbereiche bleiben i.d.R. für sich, auch wenn sich vermehr Netzwerke bilden die versuchen, dieses systemisch abzubilden. Der Bericht der Enquete-Kommission nimmt diesen Sachverhalt noch nicht auf, da er lediglich über die in dem Gremium befassten Elemente berichten wird. Die Abfallwirtschaft gehörte bisher zur Nachsorge von Katastrophenfällen und ist daher auch kein Schwerpunkt der Koordination oder Betrachtung für die Hilfsorganisationen gewesen. Alle Beteiligten sind sich darüber einig, dass hier noch Aufgaben vor ihnen liegen, die nun zu erfüllen sind, um eine Integration dieser Disziplin zu gewährleisten.

 

Klimaanpassung, Hochwasser, Resilienz – Bericht aus dem KAHR-Projekt und aus dem Kompetenznetzwerk „Wissenschaft für den Wiederaufbau“

Die Wissenschaftsnetzwerke welche vor Ort aktiv sind, widmen sich der Aufgabe der Integration bereits und bieten für die Kommunen auch Beratung an. Dazu gehört das KAHR-Projekt (welches für Klimaschutz, Anpassung, Hochwasser, Resilienz steht), für das Dr. Bert Droste-Franke vom IQIB seinen Vortrag hält, aus dem Wissenschaftsnetzwerk für den Wiederaufbau, das Prof. Lothar Kirschbauer repräsentiert. https://www.hs-koblenz.de/hochschule/einrichtungen/kompetenznetzwerk-wissenschaft-fuer-den-wiederaufbau

Verschiedene andere Projekte sind ebenfalls in der Federführung des IQIB, die uns vorgestellt werden, wie z. B. Act for Ahrtal zur Energieversorgung vor Ort. KAHR läuft bis 2024 und Dr. Bert Droste-Franke ist der Projektkoordinator. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt die Forschung aus FONA-Mitteln (Forschung für nachhaltige Entwicklung).

Weitere Verbundpartner*innen sind: RWTH Aachen (Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft), Prof. Dr.-Ing. Holger Schüttrumpf; Universität Stuttgart (Institut für Raumordnung und Entwicklungsplanung), Prof. Dr.-Ing. Jörn Birkmann; Universität Potsdam (Institut für Umweltwissenschaften und Geographie), Prof. Dr. Annegret Thieken; Hochschule Koblenz (Fachrichtung Bauingenieurwesen), Prof. Dr. Lothar Kirschbauer; Technische Universität Kaiserslautern (Fachgebiet Wasserbau und Wasserwirtschaft), Prof. Dr. Robert Jüpner; Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ (Department Stadt- und Umweltsoziologie), Prof. Dr. Christian Kuhlicke; Helmholtz-Zentrum Potsdam (Deutsches GeoForschungsZentrum, Sektion Hydrologie), Prof. Dr. Bruno Merz; Deutsches Institut für Urbanistik, Dipl.-Ing. Jens Hasse; Wasserverband Eifel-Rur, Dr. Gerd Demny; HochwasserKompetenzCentrum e.V., Köln, Georg Johann; Technische Universität Dortmund (Fakultät Raumplanung), Prof. Dr.-Ing. Stefan Greiving; Landkreis Ahrweiler, Michael R. Schäfer.

Rita Klüwer, Renate Petry

Die Anwesenden wollen wissen, wo die notwendige Veränderung zu mehr Klimaschutz- und Anpassung sichtbar wird. Als Beispiel nennen alle Beteiligten die Brückengutachten, aus denen Empfehlungen zu hochwasserdurchlässigen Brückenarchitekturen hervorgehen. Der Abriss der Nepomuk-Brücke, die viele Menschen gerne verhindert hätten, weil ihre historische Anmutung ihnen wichtig ist, zeige bereits diese Veränderung. Verena Örenbas, als Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Landkreis Ahrweiler betont, dass sich diese Veränderung nur mit Hilfe der Expert*innen aus der Wissenschaft eine Kraft zur Umsetzung mit sich bringen konnte, da die politischen Mehrheiten keinen Willen für mehr Klimaschutz ausdrückten. Die Wissenschaftler auf dem Podium bekannten sich zu ihrem Teil der Verantwortung, die sie gerne annehmen. Gleichzeitig betonten sie, dass es auch Kommunikationsherausforderungen in der Vermittlung der Themen für sie gebe. Sie seien daher froh um das mit dieser Veranstaltung gefundenen Format.

Verena Örenbas, GRÜNE Ahrweiler, Prof. Dr. Lothar Kirschbauer, Uni Koblenz, Dr. Bert Droste-Franke, IQIB

Die Frage, wie das Wissen kommuniziert werden könne, schließt sich für die Moderatorin Eveline Lemke unmittelbar an. Wie könne ein Format aussehen, in dem Flutwissen und Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge vermittelt würden? Die Wortmeldungen aus dem Publikum zeigen sofort an, dass es kein Interesse an sogenanntem Hochwassertourismus gebe und die Bewohnerinnen im Tal selber kein Interesse an Fortbildungen zeigten, da sie noch mitten in der Herausforderung der Überwindung stünden. Jedoch sei es denkbar, online-Wissens-Angebote mit einem Ausflugsformat durch das Ahrtal zu verbinden, um im Sinne des globalen Lernens und der Bildung für nachhaltige Entwicklung Zielgruppen von außerhalb einzuladen. Diese würden ihre Erfahrung wiederum ins Ahrtal zurück spiegeln.

Christian Hofeditz von der Volkshochschule nimmt die Überlegungen gerne für die weitere Entwicklung von Bildungsangeboten mit.

Link zum KAHR-Projekt. https://www.iqib.de/de/kahr-klima-anpassung-hochwasser-resilienz.html .

Präsentation Dr. Droste-Franke

Präsentation Prof. Dr. Kirschbauer

 

Szenario Planung im Abfallmanagement – Theorie und Praxis neu verstanden

Der letzte Block der Veranstaltung setzte sich mit den Ableitungen des Hochwasserereignisses auf die Abfallwirtschaft auseinander. Hierfür war Thomas Schwarz, Geschäftsführer aha Hannover, eingeladen, der mit seinen Mitarbeitenden den Abfallwirtschaftsbetrieb Ahrweiler unterstützt hatte. Über 300 professionelle Helfende und Betriebe hatten dem AWB nach dem Hochwasserereignis professionell bei der Beräumung des Ahrtals geholfen. Der Bericht von Thinking Circular® zeigte Schlussfolgerungen, wie sich Abfallwirtschaftsbetriebe besser auf derartige Situationen vorbereiten können. Vor diesem Hintergrund ist die Szenario-Planung aus Niedersachsen, die Lehren zur Vorbereitung auf ein Tornadoereignis in der norddeutschen Tiefebene zieht und sich auf ein derartiges Ereignis vorbereiten will ein geeigneter Diskussionsgegenstand.

Thomas Schwarz berichtet ausführlich von seiner Motivation, seinen eigenen Mitarbeitenden über die Möglichkeit beim Einsatz im Ahrtal zu lernen, den finanziellen Aufwand zu rechtfertigen. Grundsätzlich haben auch die politischen Verantwortlichen, die schließlich auch erst im November 2021 das Mandat für den Einsatz erteilen konnten, gerne der Hilfe zugestimmt. Jedoch waren die zutreffenden Entscheidungen für den aha Hannover zu gegebener Zeit im Juli ein gewagter Schritt, denn es existiere weder ein Netzwerk noch eine Quote zur Bereitstellung von Equipment für Hilfseinsätze. Dabei sei diese Frage virulent, insbesondere wenn die Bundesregierung plane, auch der Ukraine Wiederaufbauhilfe zur Verfügung zu stellen und öffentliche Betriebe, wie der aha aufgerufen seien, hier zu unterstützen. Thomas Schwarz kann sich deshalb vorstellen, einen Prozentsatz des eigenen Equipments für Katastrophenfälle vorzuhalten und wirft die Frage in den Raum, wie dies politisch durchsetzbar wäre. Ferner fehle es an Regelungen zur Abrechnung von Leistungen für gegenseitige kommunale Hilfe, ohne Mehrwertsteuer berechnen zu müssen. Die Tatsache, dass es keinen europäischen Abfallschlüssel für Hochwasser oder Katastrophenabfälle gebe, sei überdies eine Hürde. Ferner fehle es an Lager- oder Deponierungsraum für Dimensionen wie an der Ahr.

Präsentation Thomas Schwarz

Stephan Müllers, Technischer Leiter im Abfallwirtschaftsbetrieb Ahrweiler, erläutert, wie sich der Betrieb weiterentwickelt hat und schildert insbesondere auch durch Investitionen möglich gewordene Erweiterungen der Anlage. Er bestätigt die von Thomas Schwarz genannten Aspekte und wünscht sich von den Spitzenverbänden der Abfallwirtschaft sich des Themas anzunehmen. Der von Thinking Circular nach dem Hochwasser erstellte Bericht schildere die Notwendigkeiten, grundsätzlich müssen bei der Erstellung von Szenario-Planungen folgende Fragen beantwortet werden, welche auch den Landtagsabgeordneten Susanne Müller (SPD) und Dr. Lea Heidbreder (Bündnis 90/Die Grünen) noch einmal mitgegeben werden:

  1. Welche vorbereitenden Aufgaben können die Abfallbetriebe nicht allein lösen, wozu benötigen sie übergeordnete politische Hilfe? Wir beziehen uns hierbei auf die Feststellungen des Berichtes mit folgenden Fragen:
  2. Wie steht es um ein umfassendes Kommunikationskonzept? Gibt es hier übergeordnete Empfehlungen?
  3. Welche Einbindung in Krisenstäbe ist für die Abfallwirtschaft bei der nächsten Katastrophe vorgesehen?
  4. Wie stehen die rechtlichen Weichen für die Erstellung von Ablagerungsflächen für Hochwasser/Tornadoabfälle?
  5. Wie werden Deponierungskapazitäten vorgehalten? Wie wird dies auf übergeordneter Ebene strategisch verfolgt?
  6. Wird es eine europäische Schlüsselnummer für Hochwasserabfälle geben? Wer verfolgt dies?
  7. Wie wird verhindert, dass nach derartigen Katastrophen Abfälle aus Zwischenlägern erneut verlegt werden müssen?
  8. Welche Grundidee besteht zur weiteren Minderung indirekter Emissionen im Abfallmanagement nach einem derartigen Ereignis?
  9. Welche Maßnahmen kann die Politik ergreifen, um Wissensmanagement für die Praxis zu verbessern?

Als Veranstalter bedanken wir uns bei allen Mitwirkenden und freuen uns auf eine Wiederholung im kommenden Jahr.

Thomas Schwarz, aha Hannover, Susanne Müller, MdL, Stephan Müllers, AWB, Manuela Quirbach, AWB, Dr. Patricia Zirkel, ULS+, Angelika Bales, ULS+

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